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Der Agfa Karat Film

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Die Karat 6,3 war die erste Kamera
für den neuen Film von AGFA
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Das Optik-Unternehmen LEITZ aus Wetzlar baute 1924 die erste international
erfolgreiche Großserien-Kleinbildkamera der Welt. Grundlage war eine Konstruktion
von Oskar Barnack, der schon seit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg eine
handliche Kamera entwickelte, in die er den damals üblichen 35mm-Kinofilm
einspulte. Mit den Leica-Kameras war es erstmals möglich, als Fotograf
immer eine hochwertige, doch relativ kleine Kamera dabeizuhaben, da es
sonst nur unhandliche Rollfilm- oder noch sperrigere Plattenkameras gab.
Dieser Vorzug wurde zuerst nur von einer künstlerischen und journalistischen
Avantgarde sowie vermögenden Amateuren erkannt und genutzt. Damit wurde
eine neue Art von dynamischer Reportagefotografie erst möglich. Für den
Normalbürger waren diese Kameras jedoch viel zu kostspielig. Zudem war
es umständlich erst in der Dunkelkammer 35mm Filmstreifen in teuere Wechselspulen
einzufüllen, damit man einen ausreichenden Vorrat an Aufnahmematerial
hatte.
Sowohl bei KODAK Eastman als auch bei AGFA sah man nun Möglichkeiten den
35mmm Film besser zu vermarkten und wollte das Geschäft ausweiten. Wenn,
so die Überlegung, potentiellen Kunden fortan die Mühe des Filmladens
erspart bliebe, dann wären mehr Menschen bereit sich eine Kleinbildkamera
zu kaufen. Die Idee der Tageslichtpatrone war geboren. Fehlte nur noch
das passende Gerät. Es kam zu einem Wettrennen wer zuerst mit Film und
Gerät herauskommen würde.
Im Jahr 1934 kam
KODAK mit seiner neuen
Tageslicht Kleinbildpatrone auf den Markt. Gleichzeitig kamen die neuen
Kameras heraus, die legendären Retinas, die bei der Firma Nagel in Stuttgart
gebaut wurden, welche
KODAK einfach aufgekauft
hatte.
Die Konkurrenz schlief
natürlich nicht.
AGFA als größter deutscher
Filmhersteller hatte gleichzeitig an der Idee Kleinbildfilm in verbraucherfreundliche
Form zu bringen gearbeitet und mit der Karat 6,3 auch eine passende
Kamera konstruiert. Nur war
KODAK eben einen Tack
schneller.
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Als Filmhersteller lieferte
AGFA seinen Karat-Film
selbstverständlich ebenfalls fertig konfektioniert, es handelte sich um
Blechpatronen ohne Kern, aus denen der Film lose herausschautet. Er brauchte
nur in die Kamera eingelegt und dann transportiert werden. Dann schob
er sich selbsttätig in die Aufwickelpatrone, welche man schließlich der
Kamera wieder entnahm. Die bisherige Vorratspatrone fand dann als Aufwickelpatrone
Verwendung, genau so, wie man es mit den Spulen beim Rollfilm gewohnt
war. Die Patronen enthielten Film für 12 Aufnahmen im gewohnten Format
24 mm x 36 mm.
AGFA behauptete das
Verbraucherverhalten erforscht zu haben, dass 12 Bilder eine gute Anzahl
sei, ein so genannter Wochenendfilm. Bei mehr Aufnahmen müsste der Kunde
zu lange auf das Entwickeln warten. Ich glaube aber, dass sich längere
Filmstreifen schwer getan hätten sich in die kernlose Spule schieben zu
lassen. Sehr fraglich, ob mehr als die 60 cm Cellophan (Material aus den
30ern!!!) des Karat Films bei höherer Luftfeuchtigkeit noch gerutscht
hätte. Wer jemals in der Dunkelkammer Filme in irgendwelche Patronen schieben
wollte oder musste, weiß wovon ich rede. Die Werbung hatte das Manko also
fein kaschiert...
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Da die Karat-Patrone keinen Spulenkern besaß, musste der Film hinein geschoben
werden. Dazu waren beidseitig der Filmführung Zahnräder vorgesehen. (Siehe
Abb. links) Um den Film einzulegen klappte man zwei Abdeckungen hoch,
legte den Film in die Ritzel und klappte die Abdeckungen wieder zu. Fertig!
Den Rest erledigte die Karat beim Transport selbst.
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Angenehm war auch, dass man
den Film nicht zurückspulen musste. Die Patrone, die jetzt leer war, wurde
als neue Aufspulhülse verwendet, an ihre Stelle kam der neue Film hinein.
AGFA achtete sehr darauf,
dass niemand Meterware zu Hause selbst vorbereitete, der Benutzer sollte
nicht mehr als eine Leerspule besitzen. So musste beim Kauf eines neuen
Karat Films immer eine Leerpatrone abgegeben werden. Wer allerdings heute
eine zusätzliche Patrone besitzt, kann sich aus normalem 24x36 mm Material
selber "Karat-Filme" herstellen und mit seinem Schätzchen auf Fotopirsch
gehen. Zumindest ein Dutzend Aufnahmen lang.....
Mit der Einführung der Karat
36 und der Einstellung der Karat 12 geriet die Karatpatrone
allmählich in Vergessenheit,
AGFA ließ sie aber als Konkurrenzprodukt
zum KODAK Instamatic System als Agfa Rapid leicht modifiziert wieder aufleben.
Auch hier stand AGFA wieder in Konkurrenz zu KODAK!
In den 1960er
Jahren brachte
KODAK mit dem Instamatic
System erfolgreich ein neues Filmformat an den Markt, auf den
AGFA mit der Vorstellung
des Agfa Rapid Systems antwortete. Beide Systeme wollten das für manche
Hobby-Photographen schwierige Filmeinlegen eines Kleinbildfilms in die
Kamera vereinfachen.
Während
KODAK ein völlig neues
Filmformat benutzte, basierte Agfa Rapid auf normalem Kleinbildfilm, verpackt
in eine spezielle Kassette, die mit der üblichen Kleinbildfilm-Kassette
nicht kompatibel war. Die Kassette hat unter anderem keinen Wickeldorn.
Die wie beim Kleinbildfilm herausragende Filmlasche war gerade geschnitten
und speziell geprägt, um einen Vordrall zu erreichen. Dem westdeutschen
Rapid-Format sehr ähnlich war das Ende der 60er-Jahre in der DDR von ORWO
eingeführte SL-System (SL = Schnell Lade System), ebenfalls ein Nachfolger
des Karat Films. Im Gegensatz zu den Rapid-Kassetten im Westen, die bald
wieder vom Markt verschwanden, war das SL-System noch bis zum Ende der
DDR gebräuchlich, meist jedoch nur mit Filmen à 12 Bildern.
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Die speziell
für diesen Film von
AGFA und anderen deutschen
Herstellern angebotenen, meist einfachen, Kameras wurden mit einer Leerkassette
ausgeliefert. Nach dem Einlegen des Films und Schließen der hinteren Klappe
spulte sich der Film beim Filmtransport selbst Bild für Bild in die Leerkassette.
Das Bildformat war meist quadratisch (24mm x 24mm), bei max. 24 Bildern
pro Film. Die volle Kassette wurde dann zum Entwickeln abgegeben, und
die nun leere Kassette für den nächsten Film zum Aufwickeln benutzt. Als
Vorteile des Systems kann man nennen: einfache Benutzung, automatische
Empfindlichkeitseinstellung über eine entsprechende mechanische Marke
an der Kassette und Schutz vor Bildverlust beim versehentlichen Öffnen
der Rückwand, da der größte Teil des Films sich lichtdicht in je einer
der Kassetten befindet.
Das Rapid-System
war im Grunde eine Neuauflage des AGFA Karat Filmsystems aus der Vor-
und Nachkriegszeit. Als Gegengewicht zum Instamatic System versuchte AGFA
weltweit andere Kamerahersteller zu überzeugen und im sog. "Rapid-Club"
auf sein System einzuschwören. Es ging natürlich um die Marktbeherrschung
als Filmhersteller gegenüber Kodak. Zunächst gelang es, dann bröckelte
der "Club" ab und selbst AGFA stellte parallel Kameras für sein Rapid-
und das Instamatic System her. Der Markterfolg war mäßig und konnte zahlenmäßig
mit dem Instamatic System nicht mithalten. Schon in den 1970er Jahren
verschwand das System wieder vom Markt. Wer heute noch eine Rapid Kamera
und entsprechende Kassetten hat, kann diese mit Film-Meterware füllen
und noch benutzen, die Filme muss man aber selbst entwickeln.
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